Donnerstag, 28. Oktober 2010

Diane Broeckhoven - Ein Tag mit Herrn Jules

Die halbe Stunde zwischen Erwachen und Aufstehen ist für Alice die Zeitloseste des ganzen Tages. Da darf sie sich vom Bettuch noch einmal umhüllen lassen wie von einem vertrauten Kleidungsstück. Neben ihr ist der Duft von Jules noch tief ins Laken tief eingegraben. Jules wird jetzt unten in der Küche stehen, wo er das einzige tut, was er nach Alices Erinnerung im Haushalt immer tut: Kaffee kochen nämlich. Erst wenn der Duft des frisch gebrühten Kaffees durch die Wohnung zieht, ist die zeitlose halbe Stunde zwischen Erwachen und Aufstehen vorbei. Eigentlich ist vieles zeitlos im Alltag von Jules und Alice, und vieles ist erstarrt in Ritualen. Dazu gehört auch der Besuch des autistischen Nachbarsjungen David, der auch heute wie selbstverständlich zum Schachspiel vorbeikommen wird. Aber heute ist etwas anders in Alices Leben. Zwar zieht der Kaffeeduft noch durch die Wohnung, aber die Zeit ist diesmal dennoch gänzlich stehen geblieben: Jules sitzt tot auf dem gemeinsamen Sofa. Aber Alice beschließt, trotzdem den Tag mit ihm zu verbringen und mit ihm über all das zu reden, was vielleicht doch nicht so glücklich war in ihrem Leben. Dann kommt David, auch da läuft alles anders. Und dann brechen am nächsten Morgen doch wieder neue Zeiten an und das Leben beginnt mit dem „Duft eines neuen Tages“

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